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Vom Hölzigen zum Gewerkschaftssekretär

In einer Zeit, als die Termine noch von Hand in die Agenda eingetragen wurden, die „Hölzigen" und Bauarbeiter, die Jünger Gutenbergs, die Fabrikarbeiter und allen voran die Angestellten aus Büro, Verkauf oder Gastgewerbe ihr eigenes (Gewerkschafts)-Süppchen kochten, fand der junge Schreiner Danilo Ronzani aus dem Thurgauischen Kradolf zum CHB, dem Christlichen Holz- und Bauarbeiterverband. 

30 Jahre ist das nun her, - drei Jahrzehnte, in denen die Gewerkschaftsbewegung und mit ihr der heutige Regionalverantwortliche der Syna Ostschweiz manch Veränderungen erlebt haben. Über die Stürme der Zeit, seine Arbeit und die eindrücklichsten Momente im Gewerkschaftsleben erzählt Danilo Ronzani in einem Interview.

Wie fühlst du dich heute nach 30 Jahre Gewerkschaftssekretär?

Danilo Ronzani: Ich habe mich damals für den richtigen Job entschieden. Meine Arbeit befriedigt mich bis heute, weil sie sehr vielseitig ist und ich immer wieder mit interessanten Menschen zusammenkomme. Damals als ich angefangen habe, war ich noch recht unerfahren, ein Jungspund. Heute geht alles ein bisschen einfacher.

Du hast ursprünglich Schreiner gelernt. Wie bist du zur Gewerkschaft gekommen?

Danilo: „Du musst in den Verband kommen!", wurde ich bereits in der Lehre von meinen Arbeitskollegen, vor allem von den Italienern aufgefordert. Dass ich dem Drängen rasch nachgegeben habe und Mitglied geworden bin, bereue ich ebenfalls bis heute nicht. Ich habe schon früh erkannt, dass man in der Arbeitswelt einen verlässlichen Partner braucht. Nach einigen Jahren trat der damalige Kreissekretär Ernst Zülle an mich heran. Er sagte mir, dass in St. Gallen eine Sekretär-Adjunktstelle frei wird. Damals sagte man einem Neueinsteiger so. Erst ein Jahr später wurde der Anwärter vom Verbandsvorstand offiziell als Sekretär gewählt. Nach gründlicher Überlegung habe ich dann am 1. Januar 1991 von der Hobelbank zum Schreibtisch gewechselt.

Damals war es noch der Berufsverband der Holz- und Bauarbeiter. Was waren deine Aufgaben als junger Gewerkschaftssekretär? Wie sah dein Arbeitsalltag aus?

Danilo: Ganz am Anfang ging es um Mitgliederwerbung und Betreuung im arbeitsrechtlichen Bereich. Bald kamen auch Sektions- und Branchenarbeit dazu. Ich kam in den 90er Jahren genau in die Krisenzeit hinein. Vor allem im Bauhauptgewerbe gab es viele Betriebsschliessungen, was Entlassungen zur Folge hatte. So wurde ich konfrontiert mit Arbeitslosigkeit. Ich musste die betroffenen Mitglieder in dieser schwierigen Zeit unterstützen. In dieser Zeit begann auch die Arbeit in den Paritätischen Berufskommissionen, wo es um die Durchsetzung und den Vollzug der Gesamtarbeitsverträge ging. Von Elvira Aeschlimann bekam ich Gewerkschaftsneuling das kaufmännische Rüstzeug mit auf den Weg, während Peter Zimmermann, Enst Zülle, Emil Hauser und Ueli Stoffer von der GBI, mich im gewerkschaftlichen Bereich fit gemacht haben. Neben verschiedenen Kursen war vieles einfach „learning by doing", denn eine klassische Ausbildung als Gewerkschaftssekretär gab es ja nicht.

Was war dein erstes Erfolgserlebnis oder eindrücklichste Erfahrung?

Danilo: Damals hatten wir Probleme in der Holzindustrie. Ich durfte den CHB an einer Pressekonferenz vertreten. Ich hatte lauter erfahrene Sekretäre um mich herum. Das war für mich schon sehr eindrücklich. Unvergesslich bleiben mir auch die vielen Demos und Streik, wo wir für die Frühpensionierung der Bauarbeiter gekämpft haben.

Welchen Stellenwert hatte die Gewerkschaft damals?

Danilo: Ich denke Gewerkschaften haben damals wie heute einen sehr hohen Stellenwert. In der Arbeitswelt geniessen sie immer noch das Vertrauen. Man hört auf sie, weil sie immer nahe bei den Betroffenen sind. Deshalb schätzt eine breite Öffentlichkeit nach wie vor die Arbeit der Gewerkschaften. Dass auch heute noch eine grosse Solidarität für die Arbeitenden da ist, zeigt sich vor allem bei Demos.

Heute hat sich vieles verändert. Zusammenschluss der Verbände, dritte und sogar vierte industrielle Revolution! - Eine total andere Arbeitswelt?

Danilo: Ich finde, die Arbeitswelt hat sich nicht erst heute verändert. Seit der ersten industriellen Revolution hat sie sich stets weiter entwickelt. Heute ist natürlich die Kommunikation ein grosses Thema. Sie bringt Vorteile, aber auch Nachteile mit sich. Alles geht viel schneller. Wir werden überflutet von Informationen, die teilweise Angst machen. Oft geht der Mensch dabei etwas verloren. Das spürt man auch in den Betrieben. Das sogenannte Feierabendbier ist so gut wie ausgestorben.

Was war für dich persönlich die grösste Veränderung in deinem Arbeitsleben?

Danilo: Die grösste Veränderung war für mich, als ich am 1. Januar 2013 die Stelle als Regionalverantwortlicher angenommen habe. Ich hatte plötzlich viel mehr Verantwortung, allem voran für meine Mitarbeitenden. Aber natürlich auch für die Entwicklung der Region.

Was sind heute deine Aufgaben?

Danilo: Als Regionalverantwortlicher muss ich dafür sorgen, dass die Region erfolgreich weiterentwickelt. Dazu gehört an vorderster Front ein gutes Team. Meine Aufgabe ist es, meine Mitarbeitenden in ihrer Arbeit zu unterstützen. Dann bin ich dafür verantwortlich, dass die Syna Region betreffend Mitglieder wächst, über gesunde Finanzen verfügt und sich als Gewerkschaft positiv in der Öffentlichkeit präsentiert. Ich bin verschiedenen regionalen und nationalen Vorständen und Kommissionen aktiv, sorge in der verschiedenen Gremien, dass die gewerkschaftspolitischen Themen Gehör finden und dass es der Syna und ihren Mitgliedern gut geht.

Wie hat sich dein Arbeitsplatz, dein Aufgabenbereich durch die Digitalisierung verändert?

Danilo: In der heutigen Arbeitswelt hat man fast keine Zeit mehr. Oft kann man sich kaum mehr vertieft mit einem Thema auseinandersetzen. Durch die Digitalisierung wird erwartet, dass man sofort antwortet. Es besteht die Gefahr, dass man ein Mail nur oberflächlich überfliegt und dann falsche Entscheidungen trifft. Das Gute an der Sache ist, dass wir im Sekretariat viel weniger Papier brauchen und sich nicht mehr so viele Ordner im Schrank stapeln.

„Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weitergehen" – Hinter diesem Spruch steckt der Gedanke, mit Tiefschlägen und neuen Situationen wie ein König umzugehen und mit Stolz einfach weiterzumachen. Warst du auch schon in dieser Lage?

Danilo: Ja, das ist so. Sowohl im privaten wie beruflichen Leben gibt es Tiefschläge. Zum Beispiel wenn man Ziele, die man sich gesetzt hat, nicht erreicht. Oder das etwas, das man gerne erreichen möchte, sehr langsam vorwärts geht. Ich bin aber jemand, der negative Dinge relativ schnell wieder wegsteckt und sich am Guten festhält.

Und die schöne Seite der Krone: Was war dein absoluter Höhepunkt deines Gewerkschaftslebens?

Danilo: Absoluter Höhepunkt ist eine ganz klassische Gewerkschaftsaktion: Ein Bauarbeiter rief im Sekretariat an und berichtete über Missstände in seiner Firma. Ich schlug ihm vor, eine Betriebsversammlung zu organisieren. Es gelang ihm tatsächlich seine rund 25 Arbeitskollegen für den Abend zu mobilisieren. Wir Sekretäre haben die Bauarbeiter, alles Nichtmitglieder, umfassend über ihre Rechte informiert. Noch an diesem Abend konnten wir 18 neue Mitglieder aufnehmen. Wir bekamen die Vollmacht, mit dem Arbeitgeber über die Missstände, wenn ich mich richtig erinnere, ging es um Arbeitszeiten, zu sprechen. Tatsächlich erreichten wir, dass der Baumeister die Anpassungen machte und versprach, sich künftig an den Gesamtarbeitsvertrag zu halten.

Hast du noch eine besonders schöne Geschichte zu erzählen?

Danilo: Schöne Momente erlebte ich an zahlreichen Demos, allen voran im Baugewerbe, die sehr friedlich und gesittet abliefen. Wir kämpften mit den Bauarbeiter und hatten die Solidarität der breitflächigen Bevölkerung. Es war wie an einem Volksfest, am Schluss gab es für die Demonstrierenden eine Grillbratwurst und ein Bierchen dazu. Obwohl mehrere Tausend Leute zusammen kamen, waren wir fast wie eine grosse Familie.

Ramona Riedener

atelier@ramona-riedener.ch

Medienbeauftragte der Syna Ostschweiz

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